Wohnungskündigung: Information des Nachbarn über erfolgreichen Prozess gegen den Vermieter kein Kündigungsgrund.

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Ausgangslage

In Zeiten steigender Mieten ist die Wohnungskündigung an der Tagesordnung. Freiwerdender Wohnraum kann teurer an neue Mieter vermietet werden. Neben der Pflicht zur Zahlung der Miete treffen den Mieter in einem Mietverhältnis auch zahlreiche Nebenpflichten. Das Mietverhältnis ist außerdem ein Dauerschuldverhältnis, in dem auch ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen muss. Die Verletzung von Nebenpflichten aber auch die Beschädigung des Vertrauensverhältnisses können grundsätzlich eine Kündigung des Mietverhältnisses begründen. Da aber auch das Recht des Mieters an der Wohnung unter grundrechtlichem Schutz steht, kann dies grundsätzlich nur für besonders schwere Verstöße gelten.

Fall

Mieter hatten festgestellt, dass ihre Wohnung um mehr als 10 % kleiner war als im Mietvertrag angegeben. In einem solchen Fall besteht ein dauerhaftes Recht zur Mietminderung. Die Mieter hatten den nicht unerheblichen Differenzbetrag vom Vermieter erfolgreich eingeklagt. Im Rahmen des Prozesses wurde auch ein Sachverständigengutachten über die tatsächliche Wohnfläche eingeholt. Die Prozessunterlagen gab die Mieterin dann an ihre ehemaligen Nachbarn weiter, die wiederum ihrerseits erfolgreich den Vermieter auf Rückzahlung von insgesamt 15.000 € aufgrund von Wohnflächenabweichung zu viel gezahlter Miete verklagte.
Der Vermieter kündigte daraufhin den Mietern das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos und auch ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Er berief sich darauf, dass das Vertrauensverhältnis zerstört sei. Die beklagten Mieter hätten an die vormaligen Mieter vertrauliche Prozessunterlagen aus einem Verfahren zwischen den Parteien wegen der Wohnflächenabweichung an die Vormieter weitergegeben. Diese hätten erst durch die Weitergabe der Unterlagen von der Flächenabweichung erfahren und nur deshalb ihre Ansprüche erfolgreich geltend machen können. Der Vermieter argumentierte, dass das Verhalten der Mieter allein darauf gerichtet sei, ihm Schaden zuzufügen. Die Mieter räumten nicht, der Vermieter erhob Räumungsklage.

Urteil

Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab. Das Gericht konnte überhaupt keine Pflichtverletzung der Mieter feststellen. Die vom Vermieter vorgetragenen Kündigungsgründe rechtfertigen nach Ansicht des Amtsgerichts München weder die außerordentliche Kündigung noch die ordentliche Kündigung. Es liege weder ein wichtiger Grund vor, noch ein berechtigtes Interesse des Vermieters, noch eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Mieter. Die Weitergabe der Prozessunterlagen einschließlich des Gutachtens und der sonstigen Beweismittel an die Vormieter, damit diese ihre – offenbar berechtigten – Ansprüche gegen die Vermieterin durchsetzen können, stelle keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar. Die Vormieter hätten ein Recht zur Akteneinsicht nach § 299 ZPO gehabt, da sie ein rechtliches Interesse daran besäßen, nämlich die Unterlagen in ihrem eigenen Prozess zu verwenden.

Bewertung

Das Gericht sieht in dem Verhalten schon keine Pflichtverletzung der Mieter. Das kann man möglicherweise auch anders sehen. Ganz klar aber dürfte sein, dass es sich jedenfalls nicht um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass diese eine Kündigung begründen könnte. Trotzdem sollten Mieter immer sehr vorsichtig sein, wenn ihre Handlungen dem Vermieter möglicherweise Schaden zufügen. Das gilt grundsätzlich auch für Berechtigte anzeigen bei Strafverfolgungs- oder sonstigen Behörden. Auch das Aufhetzen anderer Mieter gegen den Vermieter kann im Extremfall gefährlich für den Bestand des Mietverhältnisses werden. Man darf auch nie vergessen, dass selbst bei einem letztlich obsiegenden Urteil der Mieter ein Räumungsprozess und die Ungewissheit über den Verbleib in der Wohnung immer eine hohe Belastung darstellen.

Quelle

Urteil des Amtsgerichts München vom 21.5.14, Aktenzeichen 452 C 2908/14

Fachanwaltstipp Mieter

Im vorliegenden Fall hätte es ausgereicht, wenn die Mieter ihren ehemaligen Nachbarn das Aktenzeichen mitgeteilt hätten. Diese hätten dann über einen Rechtsanwalt das Urteil nebst der Entscheidungsgründe vom Amtsgericht anfordern können. Dies hätte unproblematisch zur Geltendmachung der Ansprüche ausgereicht. Ich empfehle Mietern immer eher einen defensiven Umgang. Dies umso mehr in Zeiten, wo zunehmender Missbrauch mit dem Instrument der Eigenbedarfskündigung betrieben wird.

Fachanwaltstipp Vermieter

Vermieter neigen in der Hitze des Gefechts häufig zu Kurzschlussreaktionen. Eine Kündigung ist schnell ausgesprochen. Die meisten Mieter lassen sich heute aber rechtlich beraten. Man muss daher immer auch einen möglichen Räumungsprozess im Auge haben. Wer mit fraglichen Kündigungen in einen solchen Streit geht, muss am Ende zumindest mit relativ hohen Kosten rechnen.

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