Voraussetzungen bei krankheitsbedingter Kündigung im Arbeitsrecht

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer mehr als 60 Tage Lohnfortzahlung im Jahr geleistet hat oder der Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit krank geschrieben ist, kommt grundsätzlich eine Kündigung in Betracht. Die Voraussetzungen im einzelnen müssen dann sehr sorgfältig geprüft werden. Arbeitnehmer, die sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen wollen, müssen unbedingt die Drei-Wochen-Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage einhalten.

Als Anlass für eine krankheitsbedingte Kündigung kommen in Betracht:

  • Häufige Kurzzeiterkrankungen
  • Langzeiterkrankung
  • krankheitsbedingte Leistungsminderung
  • dauernde Arbeitsunfähigkeit, bzw. Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit da in den nächsten zwei Jahren nicht mit einer anderen Prognose gerechnet werden kann.

Die Rechtssprechung prüft die Wirksamkeit der Kündigung in 4 Stufen:

1. Stufe: Prüfung einer negativen Gesundheitsprognose

Eine negative Gesundheitsprognose ist zu stellen, wenn zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung in Bezug auf die zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit die ernsthafte Besorgnis weiterer krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht. Sollte sich an dieser Prognose nach Zugang der Kündigung etwas verändern, ist dies für diese Kündigung irrelevant.

Hier werden relevant: Art, Dauer und Häufigkeit der bisherigen Erkrankungen relevant, es sei denn sie sind ausgeheilt. Fehlzeiten aufgrund von Arbeitsunfällen und sonstigen einmaligen Ursachen, z.B. Sportunfällen bleiben unberücksichtigt, es sei denn diese sind so zahlreich, dass daraus geschlossen werden kann, dass es aufgrund der offenkundig schadensanfälligen Lebensweise des Arbeitnehmers auch künftig zu solcherart bedingten Ausfällen kommen wird.

Liegt eine krankheitsbedingt dauernde Leistungsunfähigkeit vor ist eine negative Prognose indiziert. Demgegenüber kann diese nicht angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung bereits ein Kausalverlauf in Gang gesetzt wurde, der die Wiederherstellung des arbeitsfähigen Zustandes in absehbarer Zeit als mindestens möglich erscheinen lässt.

Eine generelle Zeitgrenze bei häufigen Kurzzeiterkrankungen gibt es nicht. Bei jeweils mehr als 6 Wochen mehrmals im Kalenderjahr über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren oder bei deutlich häufigeren Erkrankungen und längeren Zeiträumen innerhalb von weniger als 3 Jahren ist die Bejahung einer negativen Gesundheitsprognose durch das Arbeitsgericht zumindest nicht unwahrscheinlich.

Es gilt allein die objektive Lage. Der Arbeitgeber muss sich nicht vorab nach dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers erkundigen. Allerdings ist dies häufig sinnvoll, um die Erfolgsaussichten einer Kündigung abschätzen zu können.

2. Stufe: Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers durch entstandene und prognostizierte Fehlzeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers

Bei häufigen Kurzerkrankungen werden Betriebsablaufstörungen (Störungen im Produktionsprozess) z.B. Notwenigkeit der Einarbeitung von Ersatzpersonal, Maschinenstillstand, Produktionsrückgang, im Vordergrund stehen. Daran fehlt es, wenn die Ausfälle problemlos über eine Personalreserve abgefangen werden können.

Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.

Kündigungsrechtlich relevante wirtschaftliche Belastungen ergeben sich bei häufigen Kurzzeiterkrankungen durch die Störung des Austauschverhältnisses infolge erheblicher Lohnfortzahlungskosten (Geld ohne Arbeit).

3. Stufe: Die Beeinträchtigungen gemäß Stufe 2 können nicht durch mildere Mittel als die Kündigung (z.B. Einstellung von Aushilfskräften oder Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz) behebbar sein

Diese Stufe wird regelmäßig nur bei Langzeiterkrankungen relevant, da die wirtschaftlichen Belastungen bei Kurzzeiterkrankungen durch die Entgeltfortzahlung durch nichts aufgefangen werden können.

In Betrieben mit Personalvertretung (Betriebsrat, Personalrat) sollte der Arbeitgeber (auch bei nicht schwerbehinderten) Mitarbeitern vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen. Dabei klärt der Arbeitgeber, wenn ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen im Jahr krank ist, mit der zuständigen Interessenvertretung, bzw. der Schwerbehindertenvertretung wie die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt und eine erneute Arbeitsunfähigkeit vermieden werden kann. Wird dies unterlassen ist die Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam, aber die Chancen im Prozess verschlechtern sich erheblich. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine anderweitigen Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer bekannt.

4. Stufe: Durch umfassende Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss sich ergeben, dass erhebliche betriebliche und wirtschaftliche Beeinträchtigung zu einer nicht mehr hinnehmbaren Belastung des Arbeitgebers führen

Hier sind zu berücksichtigen,

Betriebszugehörigkeit, Alter, Familienstand, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, ferner ob

die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, bzw.

wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist.

Weiter ist zu berücksichtigen, ob die Lohnfortzahlungskosten so außergewöhnlich hoch sind, um allein die weitere Beschäftigung unzumutbar zu machen. Das ist jedenfalls der Fall, wenn für mindestens 60 Arbeitstage im Jahr Lohnfortzahlungskosten entstehen (doppelter Lohnfortzahlungszeitraum). Abzustellen ist hier auch auf die durchschnittliche Ausfallquote von Arbeitnehmern mit einer vergleichbaren Tätigkeit.

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