Stasitätigkeit – darf der Arbeitgeber deswegen kündigen?

Stand: 1970/01/01 00:00:00
Fachanwalt + Arbeitsrecht + Berlin
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Immer wieder kocht das Thema hoch, zuletzt im Fall des Berliner Staatssekretärs Holm. Dazu ein aktuelles Interview von unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Maximilian Renger mit mir.

Maximilian Renger: Kann man eigentlich fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch wegen einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) die Kündigung erhalten?

Fachanwalt Bredereck: Das Bundesarbeitsgericht vertrat in der Vergangenheit die Auffassung, dass eine bewusste Tätigkeit für das MfS sowie die Weitergabe von Informationen oder Schriftstücken an das MfS grundsätzlich geeignet sind, die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, sogar die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Es kommt aber immer auf den Einzelfall und die genauen Umstände an.

Maximilian Renger: Worauf genau kommt es an?

Fachanwalt Bredereck: Zunächst einmal ist es wichtig, welche Interessen des Arbeitgebers berührt sind. Hierfür ist es wichtig, ob es sich zum Beispiel um einen Arbeitgeber aus dem öffentlichen Bereich oder aus der Privatwirtschaft handelt. Grundsätzlich können aber aus beiden Bereichen anerkennenswerte Interessen betroffen sein. Damit ist es aber nicht getan. Es sind immer auch die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers mit zu berücksichtigen. Insgesamt wird man so viele Jahre nach Beendigung der Tätigkeit kaum noch zu einer Kündigungsmöglichkeit wegen der früheren Tätigkeit kommen.

Maximilian Renger: Also kein Problem für die betroffenen Arbeitnehmer?

Fachanwalt Bredereck: Das würde ich so nicht sagen. Von der Frage, ob wegen der früheren Tätigkeit gekündigt werden kann, muss nämlich die Frage unterschieden werden, ob wegen späterer Verfehlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit eine Kündigung in Betracht kommen.

Maximilian Renger: Wann ist das zum Beispiel der Fall?

Fachanwalt Bredereck: Viele Arbeitnehmer mussten vor der Einstellung oder im Laufe des Arbeitsverhältnisses bei ihrem Arbeitgeber Erklärungen zur früheren Tätigkeit abgeben. Hier wurden zum Beispiel routinemäßig Fragebögen zu einer eventuellen früheren Tätigkeit für die Staatssicherheit bereits bei der Einstellung vorgelegt. Wer die Fragen falsch beantwortet hat, kann später durchaus noch Probleme bekommen.

Maximilian Renger: Rechtfertigt die Falschbeantwortung einer Frage zur Tätigkeit für die Staatssicherheit immer eine Kündigung?

Fachanwalt Bredereck: Nein. Umgekehrt. Im Regelfall ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Es sind nämlich viele Voraussetzungen an eine Kündigung geknüpft. Neben den oben Genannten kommen weitere Anforderungen hinzu. So muss die Frage eindeutig und konkret formuliert sein. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, was genau der Arbeitgeber von ihm wissen will. Der Arbeitnehmer muss außerdem auch bewusst (und nicht etwa fahrlässig) falsch antworten. Schließlich muss der Arbeitgeber dies in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess auch noch beweisen können.

Maximilian Renger: Nochmal zurück zum besonderen Interesse des Arbeitgebers. Wann liegt dies vor?

Fachanwalt Bredereck: Dies kann zum einen anknüpfend an den Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers, aber auch an die Tätigkeit des Arbeitnehmers gegeben sein. So wird die Falschbeantwortung durch einen Mitarbeiter einer privaten Gebäudereinigung anders zu bewerten sein, als die gleiche Falschbeantwortung eines Mitarbeiters einer Behörde bzw. einer Hochschule.

Maximilian Renger: Auch die Art des Arbeitsverhältnisses spielt eine Rolle?

Fachanwalt Bredereck: Selbstverständlich. Welches Interesse sollte der Inhaber eines Restaurants an einer eventuellen früheren Stasitätigkeit seines Kochs haben? Bei einem leitenden Angestellten eines öffentlichen Unternehmens sieht es schon ganz anders aus.

Maximilian Renger: Eine Kündigung ist also in der Regel eher schwierig.

Fachanwalt Bredereck: Ja. Neben den genannten Voraussetzungen gibt es noch eine ganze Reihe anderer bedenkenswerter Punkte. War dem Arbeitgeber die falsche Beantwortung der Fragen vielleicht sogar bekannt oder hatte er sie in Kauf genommen? Wurde die ganze Befragung vielleicht nur routinemäßig durchgeführt, ohne echtes Interesse an deren Ergebnis? Außerdem müssen die üblichen Formalien (Betriebsratsanhörungen usw. beachtet werden). Es wird also tatsächlich sehr schwer mit einer Kündigung.

Maximilian Renger: Was ist, wenn der Arbeitgeber einfach kündigt?

Fachanwalt Bredereck: Dann sollte der Arbeitnehmer in solchen Fällen innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen. Zumindest eine satte Abfindung ist in solchen Fällen dann immer drin.

Maximilian Renger: Kann der Arbeitgeber statt einer Kündigung auch abmahnen?

Fachanwalt Bredereck: Hier die Anforderungen geringer. Der Arbeitnehmer wird sich außerdem gut überlegen müssen, ob und wie er gegen eine eventuelle Abmahnung vorgeht. Möglich ist als weiteres und milderes Mittel auch eine Ermahnung.

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