Mietmängel – Zurückbehaltungsrecht zusätzlich zur Mietminderung

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Ausgangslage

Ist die Mietsache mit Mängeln behaftet, kommt neben den Instandsetzungsansprüchen des Mieters grundsätzlich eine Mietminderung in Betracht. Darüber hinaus steht dem Mieter aber auch noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB an einem weiteren Betrag des Mietzinses zu. Das Zurückbehaltungsrecht dient dazu, Druck auf den Vermieter auszuüben, die Mietsache in Stand zu setzen. Nach erfolgter Instandsetzung ist der zurückbehaltene Betrag nachzuzahlen. Die Höhe des Zurückbehaltungsrechts und der Zeitraum der Ausübung waren in der Vergangenheit Gegenstand diverser Teils stark voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen. Gerade dann, wenn der Vermieter wegen überhöhter Mietminderung gekündigt hatte, konnte die Frage, ob und in welcher Höhe neben der Mietminderung ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins bestand, entscheidend sein für die Frage, ob der Mieter die Wohnung verliert.

Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 – zum Zurückbehaltungsrecht einige Ausführungen gemacht. Insbesondere hat er klargestellt, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht wie in der Vergangenheit vielfach angenommen pauschal in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrags bis zur Beseitigung der Mängel besteht.

Ausgangspunkt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung

Grundsätzlich gewährt § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der gesamten Gegenleistung. Hat allerdings eine Partei die von ihr geschuldete Leistung – wie vorliegend die Klägerin – teilweise erbracht, so kann die Gegenleistung gemäß § 320 Abs. 2 BGB insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 –, juris).

Da der Mieter in der Regel die mangelhaften Mieträume bewohnt, bzw. das Gewerbeobjekt genutzt hat und darüber hinaus auch schon die Mietminderung zu seinen Gunsten in das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eingreift, ist bei der Bestimmung der Höhe des Zurückbehaltungsrechts zu beachten. Weiter führt auch der Charakter des Mietverhältnisses als Dauerschuldverhältnis zu einer Beschränkung des Minderungsrechts, so der BGH:

Anders als etwa beim Kauf- oder Werkvertrag, bei dem durch die Mängelbeseitigung die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung vollständig möglich ist, kann bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete das mangelbedingte Ungleichgewicht nur für die Zukunft beseitigt werden. Für die bereits abgelaufenen Zeitabschnitte verbleibt es zwangsläufig bei der mangelbedingt eingeschränkten Gebrauchstauglichkeit. Für diese abgelaufenen Zeitabschnitte ist dem Äquivalenzverhältnis aber bereits dadurch (abschließend) Rechnung getragen, dass der Mieter gemäß § 536 BGB nur eine geminderte Miete zu zahlen hat. Die Besonderheit, dass das Zurückbehaltungsrecht angesichts des Charakters der Miete als Dauerschuldverhältnis nur auf zukünftige Nutzungszeiträume abzielen kann, ist bei der Bemessung des Umfangs des Zurückbehaltungsrechts im Rahmen des § 320 Abs. 2 BGB zu beachten. Es ist daher grundsätzlich verfehlt, das Leistungsverweigerungsrecht des Wohnraummieters aus § 320 BGB ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mangelbeseitigungskosten zu bemessen (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 –, juris).

Fazit

Auch das Zurückbehaltungsrecht, mit dem in der Vergangenheit bei überhöhter Mietminderung und anschließender Kündigung gelegentlich ein Mietverhältnis noch gerettet werden konnte, ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs keine Allzweckwaffe mehr. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass im vom BGH entschiedenen Fall der Zeitraum sehr lang (drei Jahre war). Das entscheidende Gericht hat wie bei der Mietminderung einen weiten und schwer überprüfbaren Spielraum im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 –, juris).

Fachanwaltstipp Mieter

Ich empfehle grundsätzlich bei Mietminderungen immer die Zahlung unter Vorbehalt und die anschließende Klage nach erfolgloser Fristsetzung auf Instandsetzung und Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und eine Kündigung erfolgte, kann aber nach wie vor über die Argumentation mit dem Zurückbehaltungsrecht eine überhöhte Mietminderung aufgefangen werden. Das allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Jahrelange Mietminderungen unter Inkaufnahme des Mangels sind also weiterhin äußerst riskant.

Fachanwaltstipp Vermieter

Vermieter haben bei Mietminderungen ein scharfes Schwert in der Hand. Der Bundesgerichtshof hält auch schon geringfügige Irrtümer des Mieters über die Höhe der Mietminderung für schuldhaft und entsprechende Rückstände für kündigungsbegründend. Solange der Gesetzgeber hier nicht zu Gunsten der Mieter schützend eingreift, empfiehlt sich in Streitfällen immer eine Kündigung. Dies erhöht den Druck auf den Mieter erheblich, wenn das Mietverhältnis anderweitig nur zu deutlich schlechteren Konditionen für den Mieter, insbesondere zu deutlich höherem Mietzins fortgesetzt werden kann.

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