Kündigung wegen Brötchendiebstahl unwirksam.

Stand: 1970/01/01 00:00:00
Betriebsbedingte Kündigung
Foto: Fotolia

Zur Unwirksamkeit der Kündigung einer Krankenschwester wegen der Entwendung von acht halben Brötchen eine Entscheidung vom Arbeitsgericht Hamburg, Aktenzeichen 27 Ca 87/15 (Kündigung wegen Brötchendiebstahl unwirksam).

Ausgangslage

Arbeitnehmer, die eine Kündigung wegen Straftaten gegen den Arbeitgeber, zum Beispiel wegen Diebstahls, erhalten, haben es vor dem Arbeitsgericht regelmäßig nicht leicht. Auch der Diebstahl geringwertiger Sachen kann grundsätzlich eine (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen.

Fall

Eine seit 23 Jahren bei ihrem Arbeitgeber angestellte und zwischenzeitlich unkündbare Krankenschwester entnahm aus einem Kühlschrank im Pausenraum acht halbe belegte Brötchen, die dort für andere Mitarbeiter gelagert wurden. Die Klägerin stellte die Brötchen in den eigenen Pausenraum, wo sie von ihren Kollegen und ihr selbst verzehrt wurden. Nachdem dies entdeckt worden war, stellte der Arbeitgeber die Klägerin zur Rede. Diese gab daraufhin alles sofort zu und erklärte ihr Verhalten damit, dass ihr eigenes Essen aus dem Kühlschrank gestohlen worden sei. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Hamburg gab der Klage der Krankenschwester gegen die Kündigung wegen Brötchendiebstahls statt. Zwar geht das Arbeitsgericht ebenfalls grundsätzlich davon aus, dass die Entwendung geringwertiger Sachen – hier acht belegte Brötchenhälften – eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Allerdings sei immer zunächst zu prüfen, ob eine Abmahnung ausreichend sei, dass durch die Tat verlorene Vertrauen in den Arbeitnehmer wiederherzustellen.

Bei der Prüfung müsse berücksichtigt werden, ob der jeweilige Arbeitnehmer bei seiner Vertragspflichtverletzung offen oder heimlich gehandelt hat und wie er – angesprochen auf seine Verfehlung – mit den Vorwürfen umgeht. Dies wertete das Arbeitsgericht hier offensichtlich zu Gunsten der Krankenschwester und kam zu folgendem Ergebnis:

Die Kündigung einer Krankenschwester nach knapp 23 Dienstjahren, in denen es nicht zu Beanstandungen gekommen ist, weil sie acht belegte Brötchenhälften, die von ihrer Arbeitgeberin für externe Mitarbeiter bereitgestellt wurden, genommen und mit ihren Kolleginnen während ihrer Schicht gegessen hat, ist unverhältnismäßig. Zuvor hätte eine Abmahnung als milderes Mittel und zur Objektivierung der negativen Prognose ausgesprochen werden müssen.

Fazit

Die Entscheidung liegt auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hatte ursprünglich eine sehr strenge Handhabung solcher Fälle gefordert. In dem so genannten Bienenstichfall hatte es das unbefugte Essen eines einzigen Stückes Kuchen als Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung anerkannt. Im so genannten Emely-Urteil war das Bundesarbeitsgericht dann aber zurückgerudert. Hintergrund war, dass die so genannten Bagatellkündigungen zwischenzeitlich ausgeufert waren. Es gab unter anderem auch schon Kündigungen wegen Stromdiebstahls mit einem Wert von wenigen Cents. Nunmehr sind die Gesamtumstände einer solchen Kündigung auch bei Eigentumsdelikten zulasten des Arbeitgebers einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Für die Frage, in welchem Maße Vertrauen abgebaut wurde, kommt es also unter anderem auch darauf an, wie lange der Arbeitnehmer zuvor durch beanstandungsfreie Tätigkeit Vertrauen aufgebaut hat.

Gegen die Entscheidung ist das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht möglich.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer

Das Eigentum des Arbeitgebers sollte grundsätzlich tabu sein. Auch wenn die Krankenschwester hier Recht bekommen hat: alle Straftaten zulasten des Arbeitgebers können auch weiterhin grundsätzlich eine fristlose Kündigung begründen. Wer kann schon auf 23 Jahre beanstandungsfreie Tätigkeit und eine ordentliche Unkündbarkeit verweisen? Gerade Mitarbeiter, die ohnehin auf der „Abschussliste“ stehen, müssen besonders vorsichtig sein. Wer eine Kündigung erhält, sollte unbedingt innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage einreichen. Nur dann erhält man sich zumindest die Chance auf eine Abfindung.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber

In der Praxis scheitern solche Fälle häufig an der Beweisbarkeit. Es muss daher immer an die so genannte Verdachtskündigung gedacht werden. In solchen Fällen ist es daher wichtig, den Arbeitnehmer zuvor anzuhören. Der Arbeitgeber hat hier insofern alles richtig gemacht, auch wenn ihm das Ergebnis der Anhörung letztendlich auf die Füße gefallen ist. Das Arbeitsgericht hatte nämlich die Einlassung der Krankenschwester zum Brötchendiebstahl zu deren Gunsten gewertet.

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