Einigungsstelle: Das betriebliche Schiedsgericht.

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Einigungsstelle: Das betriebliche Schiedsgericht. Ein Interview mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck Berlin und Essen.

Immer wieder liest man, dass insbesondere in größeren Unternehmen oder auch im öffentlichen Dienst die „Einigungsstelle“ angerufen wird, falls sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter (Betriebsrat, Personalrat) in einem Konflikt nicht einigen können. Doch was genau ist diese Einigungsstelle eigentlich und wie arbeitet sie?

Welche Aufgaben hat eine Einigungsstelle?

Bredereck: Es handelt sich um eine Art innerbetriebliches Schiedsgericht, das bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat oder Personalrat zum Zuge kommen kann. Dann kann hier ein Schiedsverfahren eingeleitet werden.

Erfolgt die Anrufung, bzw. die Einrichtung der Einigungsstelle freiwillig?

Bredereck: Zunächst einmal muss man unterscheiden. In allen mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten (§ 76 Abs. 5, Satz 1 BetrVG) können Betriebsrat, bzw. Arbeitgeber unabhängig voneinander auf der Einrichtung einer Einigungsstelle bestehen. In Angelegenheiten die nicht mitbestimmungspflichtig sind, kann im Rahmen einer Einigung mit dem Arbeitgeber das Einigungsstellenverfahren quasi freiwillig durchgeführt werden. Nur in diesen Fällen besteht also eine echte Wahlmöglichkeit.

Welchen Vorteil hat die Einigungsstelle im Vergleich zu einem „normalen“ gerichtlichen Verfahren?

Vorteil ist, dass die Einigungsstelle oft näher an den betrieblichen Gegebenheiten ist und dass je nach Problemlage bei der Besetzung der Einigungsstelle von vornherein entsprechende Experten herangezogen werden können. Zudem lässt die Förmlichkeit eines Gerichtsverfahrens oft nicht genug Spielraum für eine Einigung, die nachhaltig und praxistauglich das Problem löst.

Wie arbeitet eine Einigungsstelle?

Bredereck: Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch Betriebsrat oder Arbeitgeber binnen zwei Wochen ab Zugang der Entscheidung der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden. Die Einigungsstelle trifft ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmmehrheit. Bei Abstimmungen wird der Vorsitzende seine Stimme erst geben, wenn es zuvor keine Stimmmehrheit gegeben hat.

Wie wird sichergestellt, dass die Besitzer der Einigungstelle die Interessen beider Seiten berücksichtigen?

Bredereck: Die Beisitzer werden von Arbeitgeber und Betriebsrat zu gleichen Teilen bestellt. Zusätzlich hat die Einigungsstelle einen unparteiischen Vorsitzenden. Die Wahl des Vorsitzenden müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam treffen. Gibt es über den Vorsitzenden keine Einigung, wird er vom Arbeitsgericht bestellt.

Ist ein Schiedspruch der Einigungsstelle mit einem Gerichtsurteil zu vergleichen?

Bredereck: Nur begrenzt. Ein wesentlicher Unterschied und gleichzeitig erheblicher Vorteil: Die Parteien haben im Gegensatz zu einem gerichtsförmlichen Verfahren die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Besetzung der Einigungsstelle.

Was passiert, wenn eine der Parteien mit dem Schiedspruch absolut unzufrieden ist? Besteht die Option zu klagen dann noch?

Bredereck: Hier muss unterschieden werden. Im erzwingbaren Einigungsstellenverfahren ist der Spruch verbindlich. Er wirkt wie eine Betriebsvereinbarung. Der Spruch der freiwillig einberufenen Einigungsstelle ist hingegen nur dann verbindlich, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber vorab dem Spruch der Einigungsstelle ausdrücklich unterworfen haben (§ 76 Abs. 6, S. 2 BetrVG). In all diesen Fällen besteht aber immer die Möglichkeit, den Spruch der Einigungsstelle von den Gerichten überprüfen zu lassen. Soweit das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass die Einigungsstelle die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens nicht beachtet hat, wird der Spruch vom Gericht für unwirksam erklärt.

Ist eine Einigungsstelle im Betrieb eigentlich eine Dauereinrichtung oder wird sie immer wieder neu geschaffen?

Bredereck: Um nicht bei jeder Meinungsverschiedenheit eine neue Einigungsstelle bilden zu müssen, kann eine dauerhafte Einigungsstelle per Betriebsvereinbarung gebildet werden. Zwingend notwendig ist das aber nicht. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, da eine fallweise einberufene Einigungsstelle die Möglichkeit bietet, jeweils entsprechende Experten für das konkrete Thema hinzuzuziehen.

Welche Kosten entstehen durch die Einrichtung einer Einigungsstelle und wer trägt diese?

Bredereck: Sämtliche Kosten muss der Arbeitgeber tragen. Die Kosten können durchaus vielfältig sein. Zum einen Sachkosten wie Kosten für Räume, Schreibmaterial, Fahrtkosten. Denkbar sind auch Kosten für Büropersonal. Wesentliche Posten sind dann die Vergütung des Vorsitzenden und der Beisitzer, soweit diese nicht Betriebsangehörige sind. Denkbar sind auch die Kosten für einen hinzu zu ziehenden Sachverständigen. Betriebsratsmitglieder erhalten für die Teilnahme lediglich die Fortzahlung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung.

17.12.2013

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