Arbeitnehmerüberlassung – trotz unbegrenzter Dauer kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher.

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Auch bei zeitlich unbegrenzter Arbeitnehmerüberlassung entsteht kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher.

Ein Beitrag von Alexander Bredereck Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 -).

Zeitarbeitsfirmen und vor allem deren Kunden können (zunächst) aufatmen. Auch die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern an ein anderes Unternehmen (Entleiher) führt nicht zu einem Arbeitsverhältnis des überlassenen Arbeitnehmers mit dem Verleiher. Das Bundesarbeitsgericht hat dies in einem für viele Arbeitsrechtler überraschenden Urteil (für mich auch) klargestellt. Vorraussetzung ist aber, dass die jeweilige Zeitarbeitsfirma die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis besitzt, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen.

Ausgangslage:

Mit großer Spannung war dass hier besprochene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 – erwartet worden (bislang liegt nur eine Pressemeldung vor). § 1 Abs. 1 AÜG geht von einer vorübergehenden Überlassung durch die Zeitarbeitsfirma aus. Daraus hatten einige Gerichte, so auch das hier zunächst damit befasste Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg –
Urteil vom 22. November 2012 – 11 Sa 84/12 -) geschlossen, dass eine nicht nur vorübergehende, also dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung schon durch das Gesetz ausgeschlossen ist. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Wirksame Arbeitnehmerüberlassung setzt voraus, dass diese vorübergehend erfolgen soll. Dies ist regelmäßig nicht anzunehmen, wenn ein Entleiher Stellenausschreibungen für unbefristete Arbeitsverhältnisse schaltet, auch wenn er erwähnt, dass die Einstellung durch die verleihenden Personaldienstleister erfolgen soll. Rechtsfolge unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung ist auch im Falle nicht vorübergehender Überlassung die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG analog) (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 11 Sa 84/12 –, juris).

Der Gesetzestext:

Hier die maßgebliche Auszüge aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in der Fassung vom 28.4.2011

§ 1 Erlaubnispflicht
(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen der Erlaubnis. Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.

§ 10 Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit
(1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht ist der überwiegenden Meinung in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur nicht gefolgt.

Das Bundesarbeitsgericht: Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers.

Das Bundesarbeitsgericht sieht weder eine Regelungslücke im Gesetz, die eine analoge Anwendung von § 10 AÜG voraussetzen würde. Insbesondere habe der Gesetzgeber bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Deshalb verbiete sich auch eine Analogie.

Auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter Berücksichtigung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) ergäbe sich nichts anderes. Diese sehe nämlich keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlässt die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 9 AZR 51/13 -).

Bewertung:

Das Bundesarbeitsgericht verweigert sich hier offensichtlich, die Aufgaben des Gesetzgebers übernehmen. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht gerade in jüngster Zeit an anderer Stelle nicht so zimperlich war, auch einmal gegen den Wortlaut des Gesetzes zu entscheiden (siehe Urteil zur zulässigen Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne Sachgrund nach dreijähriger Pause beim selben Arbeitgeber (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09)) kann man diese Entscheidung nachvollziehen. Vermutlich vor dem Hintergrund der derzeitigen großen Koalition und der in diesem Zusammenhang gemachten Ankündigungen segenreichen Wirkens für die Arbeitnehmer, will das Bundesarbeitsgericht hier den Gesetzgeber zwingen, Farbe zu bekennen. Auch wenn das Ergebnis viele Arbeitsrechtler überrascht, erscheint es nachvollziehbar. Letztlich ist nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber immer wieder neue Gesetze und Regelungen schafft, um dann die wirklich grundlegende Klärungen den Gerichten zu überlassen. Mich erinnert es an die damalige Verweigerung des Bundesgerichtshofs die vom Gesetzgeber großspurig angekündigten kurzen Kündigungsfristen für Mieter durchzusetzen. Auch dort war der Gesetzgeber im Wortlaut der Gesetzesänderungen unklar geblieben. Der Bundesgerichtshof hatte sinngemäß gesagt: Lieber Gesetzgeber wenn du etwas meinst, dann musst du es auch deutlich sagen. Das hat letztlich zu einer klarstellenden Gesetzesänderung geführt. Vielleicht wird es auch hier die Folge sein.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber:

Zeitarbeitsfirmen und vor allem die entleihenden Firmen, aber auch die Firmen, die die Möglichkeiten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes konstruktiv für sich nutzen, um zumindest vom Gesetzeszweck her gewünschte Folgen zu umgehen, können zunächst aufatmen. Allerdings sollte man immer dafür sorgen, dass die Erlaubnis zur Verleihung vorliegt und auch durchgängig erhalten bleibt (rechtzeitig neu beantragen). Außerdem sollte man in den nächsten Monaten die Entwicklung der Gesetzgebung im Auge behalten. Wird der Gesetzgeber die Vorlage aufgreifen und eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung sanktionieren? Ich vermute ja.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Pech gehabt. Das Bundesarbeitsgericht hilft Ihnen mit einer aus meiner Sicht gut nachvollziehbaren Begründung nicht. Das ist auch nicht seine Zuständigkeit. Mal sehen was der Gesetzgeber macht. Die Koalition wird nicht alle Versprechen halten können. Möglicherweise wird man daher in den Bereichen tätig, in denen es zumindest keine Steuergelder kostet. Das könnte einer sein. Überschrift: „Große Koalition rettet die echte Zeitarbeit.“ Behalten Sie die Entwicklung im Auge.

12.12.2013

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